Der Pflichtteilsberechtigte kann nach § 2314 Abs. 1 S. 2 verlangen, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Bei Grundstücken entspricht es einer langjährigen Rechtsprechung, dass der Verkehrswert des Grundstückes nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) festgestellt wird. Hierzu sind je nach Nutzung verschiedene Verfahren heranzuziehen. Die Bewertung hat nach allgemeiner Auffassung durch einen Sachverständigen, der nicht notwendig auch öffentlich bestellt und vereidigt sein muss, zu erfolgen (so etwa der BGH NJW 1975, 258; OLG Köln NJW 2006, 625). Das Gutachten hat sich hierbei an der ImmoWertV zu orientieren. Schätzungen örtlicher Banken oder örtlicher Makler werden ohne ausreichende und detaillierte Darstellung nicht akzeptiert.
Einen ganz neuen Weg sind jetzt das LG Frankfurt/Main und ihm folgend auch das OLG Frankfurt gegangen. Eine Immobilienbewertung in Hessen kann demnach auch durch Vorlage einer Schätzung des zuständigen Ortsgerichts erfolgen, weil dieses in Hessen eine berufene Stelle für Grundstücksschätzungen ist. Hierzu muss man allerdings wissen, dass das die Ortsgericht in Hessen auf der Gemeindeebene gebildet werden und ehrenamtlich besetzt werden. Sie werden durch den Ortsgerichtsvorsteher geleitet und haben meist weitere 4 Mitglieder. Neben Grundstücksschätzungen nehmen die Ortsgerichte auch noch Beglaubigungen von Unterschriften vor und erstellen beglaubigte Abschriften von Urkunden, sollen Nachlässe sichern und dafür sorgen, dass Testamente zu den Nachlassgerichten gelangen. Allein für die Stadt Frankfurt gibt es 14 Ortsgerichte. Die üblichen Schätzungsurkunden bestehen aus einem zweiseitigen Formular, in dem das Ergebnis der Schätzung steht, aber keine wertbildenden Faktoren angeführt werden. Weil die Ortsgerichte aber nach den hessischen Gesetzen für Wertschätzungen zuständig sind, reicht diese Bewertung nach der Beurteilung des OLG Frankfurt aus. Ob die Ortsgerichte ausreichend fachlich besetzt sind, bleibt hierbei offen, ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegeben.
Wer sich mit den sonst üblichen Anforderungen auskennt, kann eine derartige Bewertung nur als völlig unzureichend ablehnen. Die Entscheidung des OLG hat deshalb zu Recht Kritik ausgelöst und ist abzulehnen. Die Entscheidung ist auch wenig überzeugend. Insbesondere darf die bundesrechtliche Regelung nicht durch landesrechtliche Vorschriften ausgehöhlt werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof dem Treiben ein Ende bereitet.
OLG Frankfurt v. 1. 9. 2021 – 12 W 35/21