Im internationalen Kontext kommt es vor, dass insbesondere ausländische Rechtsregeln gegenüber dem deutschen Recht stark abweichende Inhalte haben. Ist die Anwendung dieser Rechtsregeln mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar, darf die Regel gem. Art. 6 EGBGB nicht angewendet werden, man spricht von einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung (ordre public). Eine solche Unvereinbarkeit ist bei einem Verstoß gegen Grundrecht gegeben. Einige Fallgestaltungen haben in jüngster Zeit die Gerichte beschäftigt.
Mit dem iranischen Recht hatte sich das OLG München befasst (OLG München v. 8.12.2020 – 31 Wx 248/20). Eine ausländische (iranische) Rechtsvorschrift, wonach im Erbfall männliche Kinder einen doppelt so hohen Anteil am Erbe erhalten wie weibliche, verstößt gegen Art. 3 GG und fällt unter den Vorbehalt des Art. 6. EGBGB. Der nötige Inlandsbezug liegt bei inländischem Vermögen und der Beteiligung (auch) deutscher Staatsangehöriger vor. Ein ohne Berücksichtigung von Art. 6 EGBGB erteilter Erbschein ist einzuziehen.
Ähnlich hat auch das OLG Hamburg entschieden, das sich mit dem Nachlass eines Iraner jüdischen Glaubens zu befassen hatte.(OLG Hamburg vom 16.3.2021 – 2 W 17/20) Die Regeln des Schulchan Aruch, die für das jüdisch-religiöse Recht gelten, sind danach mit dem deutschen ordre public nicht vereinbar, als dass sie die Möglichkeit der Testamentserrichtung zugunsten der Ehefrau ausschließen. Insoweit ist für einen in Deutschland lebenden Erblasser deutsches Recht anzuwenden.
Hier kann man sagen, dass insbesondere religiöse Rechte eine besonderen Prüfung bedürfen. Aber auch andere Fallgestaltungen sind hier denkbar. Hier kommen etwa Pflichtteilsrecht in Betracht.
Der österreichische oberste Gerichtshof (OGH v. 25.02.2021 – 2 Ob 214/20i, ErbR 2021, 620) hatte sich mit einem Fall befasst, bei dem es um britische Staatsangehörige ging. Das englische Recht kennt keine Pflichtteilsansprüche. Ob derartige Ansprüche bei einem Bezug zu Österreich, das Pflichtteilsansprüche kennt, ausgeschlossen sind, war zu klären. Nach Ansicht des OGH Wien verstößt es aber im allgemeinen nicht gegen den österreichischen ordre public, wenn das von der EUErbVO berufene Erbrecht keine vom Bedarf unabhängigen Pflichtteilsansprüche vorsieht. Offen bleibt dies aber dann, wenn der Sachverhalt eine besonders enge Beziehung zum Inland ausweist.
Das OLG Köln schließlich ging hier – bei geeigneter Fallgestaltung – weiter. Eine Rechtswahl eines seit mehr als 50 Jahren in Deutschland lebenden englischen Staatsangehörigen zum englischen Recht verstößt nach Auffassung des OLG Köln ( v. 22. 4. 2021 – 22 U 77/20, ErbR 2021, 883) bei vorliegendem Inlandsbezug in Deutschland gegenüber einem deutschen Pflichtteilsberechtigten gegen den ordre public und ist unwirksam.
Damit sind derartige Fallgestaltungen in Zukunft sorgfältig zu prüfen.