Eine in der Praxis beliebtes erbrechtliche Gestaltung ist das sogenannte Berliner Testament. Darunter versteht man eine Erbfolge, bei der sich Eheleute jeweils wechselseitig als Erben für den ersten Erbfall einsetzen und anschließend für den Tod des Überlebenden die KInder als Schlußerben. Diese Gestaltung entspricht zwar der Vorstellung vieler Familien, sie hat aber Ihre Tücken sowohl in erbrechtlicher wie in erbschaftsteuerlicher Hinsicht. Erbrechtlich besteht das Problem, dass beim ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche ausgelöst werden (was in der Regel nicht gewünscht wird). Allerdings machen die Kinder häufig von diesem Recht gar keinen Gebrauch, weil sie den Überlebenden nicht finanziell beeinträchtigen wollen.
Auch steuerlich ist die Gestaltung problematisch, weil immer 2 Erbfälle vorliegen, die beide Erbschaftsteuer auslösen können. Versterben die Eheleute kurz hintereinander, ist es für die Kinder ein probates Mittel zur Reduzierung der Steuerbelastung, den Pflichtteilsanspruch nach dem Erstversterbenden geltend zu machen. Hierdurch wird sowohl beim ersten wie auch beim zweiten Erbfall die Steuerbelastung reduziert.
Schwieriger wird es, wenn die Erbfälle weiter auseinanderliegen. Mit dieser Situation hat sich der Bundesfinanzhof zu befassen gehabt. Hier war der Pflichtteilsanspruch, den der Erbe im Ergebnis gegen sich selbst geltend machte, bereits verjährt. Da die Verjährung zivilrechtlich eine Einrede ist, spielt sie nur eine Rolle, wenn sie erhoben wird. Dies war hier nicht der Fall. Der Bundesfinanzhof hat das aber nicht mitgemacht. Wird ein bereits verjährter Pflichtteilsanspruch nachträglich geltend gemacht, kann er nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abgesetzt werden. Abzugsfähig ist er, wenn er vor Eintritt der Verjährung (auch gegen sich selbst als Alleinerbe) geltend gemacht wird. Diese Möglichkeit sollte der kluge Berater also frühzeitig ins Auge fassen.
BFH vom 5. 2. 2020 – II R 1/16