Die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers ist keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, die ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz darstellt. Steuerberater und Banken dürfen deshalb für diese Tätigkeit werben.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat am 11. November 2004 entschieden, dass die geschäftsmäßige Testamentsvollstreckung durch einen Steuerberater nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstößt. Gegenstand des Verfahrens war die Unterlassungsklage eines Rechtsanwaltes gegen einen Steuerberater, der auf seiner Internetseite unter anderem auch die Übernahme von Testamentsvollstreckungen anbot. Der Kläger sah hierin einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz.
Nach Ansicht des BGH stellt die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers keine Rechtsberatung dar, die eine behördliche Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG erfordert. Nach dieser Vorschrift darf die Be-sorgung fremder Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Ob die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers grundsätzlich eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nach Art. 1 § 1 RBerG darstellt, war bis zur Entscheidung des BGH lange umstritten. Teilweise wurde nach dem Umfang und dem Schwerpunkt der Tätigkeit im Einzelfall differenziert. Zum Teil wurde die Testamentsvollstreckung von Steuerberatern oder Banken auch nach Art. 1 § 3 Nr. 6 oder § 5 Nr. 2 oder Nr. 3 RBerG als zulässig angesehen.
Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG hingegen vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten.
Dabei ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesor-gung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftli-cher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Be-lange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht.
Ein Testamentsvollstrecker hat nach § 2203 BGB die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen. Er hat den Nachlass zu verwalten und ist berechtigt, ihn in Besitz zu nehmen und über Nachlassgegenstände zu verfügen (§ 2205 BGB) sowie Forderungen einzuziehen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers kann, braucht aber nicht auf rechtlichem Gebiet zu liegen. Er kann in wesentlichem Umfang auch nur einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, wenn er den Nachlass in Besitz nimmt, die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten bewertet und Verbindlichkeiten erfüllt sowie Nachlassgegenstände veräußert. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsberatung kann angesichts dessen, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Es ist vielmehr eine abwägende Beurtei-lung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach erforderlich, ob es sich bei ihm um eine Rechtsbe-sorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann.
Diese Abwägung führt nach Auffassung des BGH zu einer grundsätzlichen Befreiung der geschäftsmäßigen Übernahme einer Testamentsvollstreckung vom Erlaubnisvorbehalt nach Art. 1 § 1 RBerG. Die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sehen eine besondere Qualifikation für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht vor.
Im Übrigen nimmt der Erblasser die Auswahl des Testamentsvollstreckers häufig nicht im Hinblick auf dessen rechtliche Kenntnisse, sondern aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum Testamentsvollstrecker oder aufgrund von Kenntnissen und Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers vor, die etwa auf wirtschaftlichem Gebiet liegen. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse können bei der Durchsetzung des Willens des Erblassers im Vordergrund stehen und die von dem Testamentsvollstrecker erwartete Dienstleistung in erster Linie bestimmen, so dass es jedenfalls nicht maßgeblich auf die rechtliche Qualifikation des Testamentsvollstreckers ankommt. Wird gleichwohl die Beurteilung rechtlicher Fragen im Rahmen der Testamentsvollstreckung, insbesondere bei der Abwicklungsvoll-streckung, erforderlich, kann und muss der Testamentsvollstrecker – wie dies der Erblasser auch er-warten wird – seinerseits Rechtsrat einholen.
Am selben Tag urteilte ebenfalls der I. Senat (- I ZR 213/01 -) konsequenterweise, dass auch die Übernahme von Testamentsvollstreckungen durch Banken oder Sparkassen keinen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz darstellt.
Autor: RA Dr. Knut Schnabel
Aktenzeichen: BGH v. 11. 11. 2004 – I ZR 182/02