- Aus einem gemeinschaftlichen Testament von Eheleuten kann sich eine Bindungswirkung für den Überlebenden ergeben, wenn einer der Ehegatten verstorben ist. Diese Bindungswirkung entspricht in der Regel derjenigen eines Erbvertrages. Deshalb ist auf einen solchen Fall auch die Vorschrift des § 2287 BGB entsprechend anzuwenden.Mit einem solchen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Karlsruhe befasst. Der Erblasser war insgesamt viermal verheiratet. Mit der vierten Ehefrau hatte er sich wechselseitig als Erbe eingesetzt und ein Kind aus seiner 1. Ehe sowie ein Kind seiner 4. Frau als Schlusserben bestimmt. Nach dem Tod der Ehefrau orientierte sich der Ehemann neu und lebte über viele Jahre mit einer Lebensgefährtin zusammen. Diese sorgte unter anderem auch durch einen erheblichen finanziellen Einsatz im Zusammenhang mit einem Zwangsversteigerungsverfahren dafür, dass das Grundstück weiterhin ihrem Lebensgefährten verblieb. Der spätere Erblasser hat dann zugunsten seiner Lebensgefährtin einen unentgeltlichen lebenslangen Nießbrauch an dem Hausgrundstück eingeräumt, um sich so der Unterstützung seiner Lebensgefährtin auch im Alter zu versichern. Nach dessen Tod kam es dann zum Streit mit den Kindern.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichtes war entscheidend, dass der spätere Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse daran hatte er, im Alter unterstützt zu werden. Dies führte dann zu dem nachfolgenden Ergebnis.
Ein vom Erblasser eingeräumter unentgeltlicher lebenslanger Nießbrauch an einem Hausgrundstück stellt sich nicht als beeinträchtigend im Sinne von § 2287 BGB dar, wenn der Erblasser sich so der Unterstützung seiner Lebensgefährtin in alten und kranken Tagen versichern wollte und sich die Leistung nicht nur als bloße Versorgungsleistung darstellte. Die Erwartung einer gegenseitigen Unterstützung in alten, kranken und gebrechlichen Tagen beschränkt sich nicht nur auf Pflegeleistungen, sondern umfasst auch im Rahmen einer Lebensgemeinschaft übliche, alltägliche Unterstützungsleistungen außerhalb des pflegerischen Bereiches.
OLG Karlsruhe v. 25.11.2022 – 14 U 274/21