Die Frist zur Ausschlagung beginnt bei mehreren sich widersprechenden gewillkürten Erbfolgeregelungen erst, wenn dem Erben eine ausreichende positive Kenntnis der Rechtslage zuzurechnen ist. Setzt die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs die Ausschlagung voraus, beginnt die Verjährung erst mit hinreichender Kenntnis der Rechtslage.
Der Pflichtteilsanspruch unterliegt seit der Reform des Erbrechts 2010 der regelmäßigen Verjährung des § 199 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres in der der Berechtigte positive Kenntnis von dem Anspruch erhält. Hierzu muss er wissen, dass der Erbfall eingetreten ist, dass er enterbt wurde und wer der Erbe geworden ist. Ist einer dieser Punkte unklar, fehlt es an der Kenntnis. Dies kann etwa gegeben sein, wenn es mehrere Testamente gibt, die widersprüchliche Angaben enthalten und erst durch Auslegung eine Richtung erhalten. Das gleich kommt in Betracht, wenn unklar ist, ob der Erblasser bei einem Testament bereits testierunfähig war. In beiden Fällen kommt es letztlich darauf an, wie etwa im Rahmen des Erbscheinverfahrens die Beurteilung durch das zuständige Gericht erfolgt. Allerdings kann nicht unbedingt auf den Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung abgehoben werden. Liegt etwa ein Sachverständigengutachten zur Frage der Testierfähigkeit vor, kann es auf den Zeitpunkt des Zugang dieses Gutachtens ankommen. Hier sollte mit Vorsicht operiert werden.
Zu beachten ist allerdings die im Gesetz geregelte Höchstfrist. Auch ohne Kenntnis regelt § 199 Abs. 3a) und 4) BGB eine Höchstfrist. Bei erbrechtlichen Ansprüchen sind dies regelmäßig 30 Jahre ab dem Erbfall. Als weitere Besonderheit ist auch noch die Verjährungsvorschrift des 2332 BGB zu beachten. Diese betrifft aber nur die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten. Die Frist beträgt hier stichtagsgenau ab dem Erbfall 3 Jahre und muss deshalb genau im Auge behalten werden.
LG Wuppertal vom 6. 1. 2023 – 2 O 298/19