Nach der Eröffnung eines Testaments zeigt sich manchmal, dass sich bis zum Erbfall wesentliche Änderungen der Situation ergeben haben. Manchmal ist eine unterbliebene oder missglückte Gestaltung der Hintergrund. Nicht selten ist das steuerliche Ergebnis unbefriedigend.
In solchen Fällen denken die als Erben eingesetzten Beteiligten über die Möglichkeit einer Ausschlagung nach. Das ist aber immer nur mit größter Vorsicht umzusetzen. Es sollte sehr sorgfältig im Hinblick auf die Auswirkungen geprüft werden. Auch wenn in solchen Fällen die Ausschlagungsfrist knapp ist, ist voreiliges Handeln nicht angezeigt.
Ausgangsfall
In einem aktuellen Fall hatte der Vater kein Testament gemacht, so dass die gesetzliche Erbfolge eintrat. Das hätte auf den ersten Blick dazu geführt, dass Sohn und Ehefrau jeweils zur Hälfte als Erben berufen wurden. Nach dem Erbfall wollte der Sohn seinen Erbteil seiner Mutter überlassen.
Daraufhin schlug der Sohn das ihm angefallene Erbe aus. Ziel war, dass seine Mutter Alleinerbin werden sollte. Zwar hätte der Sohn seiner Mutter seinen Anteil an der Erbschaft schenken können. Aber in diesem Fall hätte der niedrige steuerliche Freibetrag bei der Schenkung von der Mutter an den Sohn von nur 20.000 € zu einer erheblichen Steuerbelastung geführt.
Nach der Ausschlagung stellte sich heraus, dass der Erblasser eine nichteheliche Tochter hatte. Diese hatte der Erblasser seiner Frau und dem Sohn verschwiegen. Die Ausschlagung des Sohnes führte deshalb dazu, dass damit die nichteheliche Tochter damit zur Hälfte am Nachlass beteiligt wurde. Ohne Ausschlagung hätte sie nur 1/4 des Nachlasses erhalten. Daraufhin versuchte der Sohn, die Ausschlagung wegen Irrtums anzufechten.
Die rechtliche Situation
Das OLG Düsseldorf hatte in der Vergangenheit eine solche Anfechtung als wirksam zugelassen. (ZEV 2018, 85; ebenso OLG Düsseldorf ZEV 2019, 469) Andere Oberlandesgericht lehnten es ab. (OLG München NJW 2010, 687; OLG Frankfurt ZEV 2017, 515; KG ZEV 2020, 152).
Das OLG Hamm hat jetzt in einem Beschluss vom 21. 4. 22 (15 W 51/19) grundsätzlich entschieden, dass ein solcher Irrtum nicht erheblich ist. Der Irrtum über denjenigen, dem die Ausschlagung der Erbschaft zugute kommen soll, ist danach reiner Motivirrtum und berechtigt nicht zur Anfechtung. Wegen der abweichenden Ansicht des OLG Düsseldorf ließ das OLG Hamm aber die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu, damit der Streit geklärt werden konnte.
Die Entscheidung
Am 22. 3. 2023 hat der BGH (IV ZB 12/22) jetzt dem OLG Hamm in vollem Umfang recht gegeben und damit einen schon lange andauernden Streit geklärt. Dies macht deutlich, dass ohne vollständig geklärte Familienverhältnisse und ohne ein sehr sorgfältige Auslegung eines eventuell vorhandenen Testaments eine Ausschlagung viele Überraschungen mit sich bringen kann.