Die Abfindung, die ein möglicher Alleinerbe nach einem Prozessvergleich dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, ist kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG.
Der BFH hat in dieser Frage seine Rechtsprechung geändert.
Sachverhalt: Der Kläger ist der Neffe der im April 2004 verstorbenen Erblasserin (E). Die E hatte mehrere Testamente errichtet, in denen sie jeweils verschiedene Personen als Alleinerben eingesetzt hatte. Die Wirksamkeit des zuletzt errichteten Testaments war wegen behaupteter Testierunfähigkeit des Erblassers zwischen den potentiellen Erben streitig. Der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und einem anderen Erben
(K) endete mit einem Vergleich. K verpflichtete sich, an den Kläger 45.000 EUR zu zahlen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger seinerseits, keinen neuen Erbscheinsantrag zu stellen sowie keine Einwände gegen die Wirksamkeit des letzten Testaments und die sich daraus ergebende Erbenstellung der K zu erheben.
Daraufhin setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer hinsichtlich der Vergleichssumme fest. Dazu führt der BFH aus:
Die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung des sog. Erbvergleichs stellt eine nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass weder die Miterben noch sonst am Nach-lass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen (vgl. BFH, Urteil v. 1.7.2008 – II R 71/06).
Der Vergleich i.S. des § 779 BGB ist nur schuldrechtlicher Natur, so dass durch ihn ein Erbrecht mit dinglicher Wirkung nicht begründet werden kann. Ein solcher Vergleich kann nur insoweit Verbindlichkeit im Besteuerungsverfahren beanspruchen, als er seinen letzten Rechtsgrund noch im Erbrecht findet (vgl. BFH, Urteil v. 1.7.2008 – II R 71/06).
Aufgrund des Erbvergleichs ist erbschaftsteuerrechtlich so zu verfahren, als ob der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen eine entsprechende Regelung getroffen hätte. Dadurch werden zugleich die Grenzen der Besteuerung des Erwerbs aufgrund eines Erbvergleichs deutlich. Kann dieser Erwerb tatsächlich nicht auf einen erbrechtlichen Rechtsgrund (Erbanfall nach § 1922 BGB, Vermächtnis nach §§ 2147 ff. BGB, geltend gemachter Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff. BGB) zurückgeführt werden, so unterliegt er nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer.
Dementsprechend ist eine Abfindung, die der in einem widerrufenen Testament als Alleinerbe eingesetzte Erbprätendent aufgrund eines Prozessvergleichs vom rechtswirksam eingesetzten Alleinerben dafür bekommt, dass er dessen Erbenstellung nicht mehr bestreitet, nicht als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Soweit der BFH (Urteil v. 1.2.1961 – II 269/58 U ) und der RFH (vgl. Urteil v. 30.1.1919 -II A 14/18, RFHE 1, 1) zu mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalten entschieden haben, die Abfindung aufgrund des Erbvergleichs unterliege als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer, wird daran nicht mehr festgehalten.
BFH, Urteil v. 4.5.2011 – II R 34/09