Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verwendung der Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ durch einen Rechtsanwalt grds. nicht gegen das anwaltliche Berufsrecht und gegen das Irreführungsverbot verstößt, wenn der Betreffende sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht bestimmte Anforderungen erfüllt.
Sachverhalt: Der beklagte Rechtsanwalt bezeichnet sich im Briefkopf als „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“. Er verfügt über ein Zertifikat der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V. (AGT), die auf Antrag eine Bescheinigung als „Zertifizierter Testamentsvollstrecker“ ausstellt, wenn der Antragsteller an bestimmten Leistungskontrollen teilgenommen hat. Rechtsanwälte benötigen zum Nachweis der praktischen Fertigkeiten lediglich eine zweijährige Tätigkeit im Beruf. Die klagende Rechtsanwaltskammer hat die Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ als irreführend und berufsrechtswidrig beanstandet, weil der Beklagte keine hinreichenden praktischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung aufweise. Zudem werde der unzutreffende Eindruck vermittelt, dass es den Beruf des Testamentsvollstreckers gebe.
Hierzu führte das Gericht aus:
Gegen einen Hinweis auf die Zertifizierung im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker bestehen aus berufs-und wettbewerbsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Angabe enthält eine Information, die für das rechtssuchende Publikum durchaus von Bedeutung ist. Bei den Werbeadressaten wird dadurch nicht der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, das Zertifikat sei von einer amtlichen Stelle ausgestellt worden. Auch die Verwendung der Bezeichnung „Testamentsvollstrecker“ ist an sich nicht irreführend oder unsachlich. Der Verkehr erkennt, dass es sich hierbei nicht um eine besondere Berufsbezeichnung, sondern um eine Tätigkeitsbeschreibung handelt.
Die angesprochenen Verbraucher erwarten von einem „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ aber, dass er über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt. Dies setzt auch bei Rechtsanwälten voraus, dass sie in der Vergangenheit wiederholt als Testamentsvollstrecker tätig geworden sind. Es ist daher irreführend, wenn Rechtsanwälte ohne praktische Erfahrung als Testamentsvollstrecker die Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker“ verwenden. Auch eine zweimalige Tätigkeit als Testamentsvollstrecker reicht nicht aus, um den Erwartungen zu entsprechen, die der Verkehr an einen „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ stellt.
(BGH, Urteil v. 9.6.2011 –I ZR 113/10) Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 102/2011